Egal

Dieser Text heißt „Egal“

 



Übel, ich komm schon wieder zu spät. Wie jeden Tag. Immer das Gleiche. Wirklich übel. Man müsste mal was Neues machen.

Grad gestern, dieser Artikel in der Zeitung. Ich hab ihn in der Kantine … da hab ich ihn gelesen. Also FAZ. Da hat gestanden,

dass man immer wieder neu anfangen kann. Auch später! Alles auf Anfang. Wie diese Berliner Band!

Die Sängerin heißt doch Judith Noferges, oder? Na ja, ich wollte doch nur einen richtig neuen Anfang. Aber von wegen.

Von wegen, sag ich Ihnen!


 

In- und auswendig kenn ich meine Tage. Ich komm zur Arbeit und immer so: „Auch schon hier“, sagt mein Kollege.

„Ist ja mal was Neues.“ Haha! Vielleicht sollte ich mir einen Suchagenten einrichten. Bei Monster.de und schon habe

ich neue Kollegen. Und vielleicht sogar neue Begleiter, neue Lebensabschnittsarbeitsplatzfahrtbegleiter.

Das sagt man doch so, oder? Nicht immer die Gleichen, verstehen Sie? Sie wissen, was ich meine, oder?

Immer die Gleichen, die morgens mit einem am Bahnsteig stehen. Haben Sie gesehen? Da stand, dass Clusen in der Sporthalle spielt.

Der heißt doch Clusen, der mit Udo Lindenberg, oder? Summt … Sie spielte Cello …

Wie spät ist eigentlich? Ach Gott, schon wieder zu spät! Zwei Minuten mindestens. Frank ist irgendwie schräg.

Wieso sagt der immer gleich Nein? Man kann doch auch später Nein sagen. Zuhören muss man können. Und dann was sagen.

 


Ich könnte noch Obst kaufen. Mit all der Chemie. Aber dann bin ich erst recht zu spät. Wie immer. Stempel drauf.

Vielleicht sollte ich mal, vielleicht, genau, viel zu früh anfangen, dann würden die anderen … lustig.

Heute Nacht hab ich schon wieder so einen Quatsch geträumt. Früh morgens, da träumt man am intensivsten.

Nicht wahr? REM-Phase, nennen die das. Wie die Band. Summt. Loosing my Relikt. Relikt? Stimmt doch, oder?

Ich hab das mal gehört. Pause. Pause.

Mit einem, den ich kenne. Der hat dann neu geheiratet. Aber nicht mich. Ach, diese Uhr. Hoffentlich ist nicht der erste,

den ich treffe, mein Chef. Zwei kleine Minuten. Ach, diese verflixte Uhr! Zwei kleine Minuten ... Was machen schon zwei ...?


 

Er, also mein Chef, guckt ja auch nicht auf die Uhr, sollte ich mal zwei Minuten länger bleiben, dann guckt er ja auch nicht auf

sein Handgelenk. Im Ernst! Ich kann doch nicht mein Leben lang … Ich tauche halt auf, wenn ich da bin. Hier und jetzt.

Wer will mir denn vorschreiben, wann das ist, das „Hier und jetzt“? Jeden Tag nur zwei Minuten, die können doch froh sein, finden Sie nicht?

 


Auf das Jahr gerechnet sind das, warten Sie mal ... 365 Tage minus Wochenenden, minus Urlaubstage, minus gelber

Schein oder Scheine, minus Feiertage, minus blaugemachte, minus Bildungsurlaub, minus Sonderurlaub,

minus Sabbattage. Sabbattage? Quatsch. Sabbatjahr.

Sonja, die hat sich so was genommen. Venezuela oder so. Weiß ich nicht mehr richtig. Auf jeden Fall: ganz begeistert.

Gucken Sie mal, diese Stelle! Die mag ich so gern. Wenn die Bahn ausʼm Tunnel kommt und plötzlich alles beleuchtet ist.

Oben, unten, links, rechts. Manchmal denk ich, man muss sich das mal vorstellen, alle morgens im Schlafanzug. Im Abteil.

Das nackte Leben. Wie mein Vater gestorben ist, da hatte ich auch ʼnen Schlafanzug an. Ärzte sollten das nicht machen.

Den Angehörigen im Schlafanzug sagen, dass jemand tot ist. Während man im Schlafanzug ist. Das gehört sich nicht.

Finden Sie nicht? Ich wollte ja „Ave Maria“. Der Organist hat mich gefragt: „Welches?“ Und ich hab gesagt: „Das mit Pavarotti.“

Mein Gott bin ich müde. Jeden Tag. Immer wieder. Summt ... Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden.

Ist das nicht von dem, der auch „Dortmund“ geschrieben hat? Egal. Sagt Jan auch immer. Sein Lieblingswort sozusagen.

 

Egal. Schreckliches Wort. Da strengt man sich an und dann isses egal.